Das Bergbauprojekt der Organisation Todt am Löbenberg in den Hohburger Bergen
Die „Hohburger Schweiz“ – schon vor über einhundert Jahren ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Nicht nur für Einheimische, sondern ebenso für viele Auswärtige. Insbesondere aus Leipzig kamen viele Erholungssuchende. Und so ist es kein Wunder, dass gerade einer jener den hochtrabenden Namen für das – im Vergleich zu den Schweizer Bergen – eher mickrige Felsenensemble prägte. Nur wenig später hatten allerdings einige andere den Wert dieser bewaldeten Hügel erkannt. Nicht in deren schönem Anblick, sondern in ihren zerkleinerten Formen, als Pflaster- und Schottersteine! Die dann einsetzende Steinbruchsindustrie um Hohburg und Röcknitz ließ von den ehemaligen Bergkuppen aus Quarzporphyr nicht viel mehr übrig als hohle Zähne. Einige von ihnen füllten sich nach ihrer Auflassung mit Wasser und sind heute erneutes Ausflugsziel für Wanderer, Kletterer, Erfrischung Suchende, Taucher…
Eine von mehreren Ansichtskarten mit einem “Gruss aus der Hohburger Schweiz”. So wurde sie von den meisten Ausflüglern gesehen.
(Ansichtskarte: Sammlung Dirk Reinhardt)
Doch vermutlich nur die wenigsten dieser Ausflügler wissen um die nicht so offensichtlichen Tatsachen aus der Geschichte dieses Bergmassivs. Zwar gilt das nur 12 Jahre währende “Dritte Reich” unter Historikern heute allgemein als die besterforschte Phase deutscher Geschichte, dennoch blieben weiße Flecke, mehr oder minder umfangreich. Die „Hohburger Schweiz“ ist ein solcher, wenn auch bescheiden großer. Obwohl gegenwärtig keine Schranken bestehen, über dieses Thema zu berichten, gibt es jedoch kaum irgendwelche belastbaren Dokumente zu den damaligen Aktivitäten. Beteiligte oder andere Zeitzeugen sind nach der vergangenen Zeit kaum mehr auffindbar. Sind bereits verstorben. Oder schweigen?
So begann für mich diese Geschichte gleichfalls nur mit alten Fotos – Erinnerungsfotos eines meiner Urgroßväter. Der Hintergrund und alles damit Zusammenhängende blieb nahezu unbekannt. Zu Uropas Lebzeiten hatte ich mich nicht dafür interessiert. Vielleicht hätte dieser darüber ja auch nicht gesprochen? Denn eines dieser Bilder zeigt ihn mit einigen seiner damaligen Kameraden vor einer hölzernen Baracke. Mit Armbinden der „Organisation Todt“ – DER nationalsozialistischen Bauunternehmung des Dritten Reiches! Ein Bild mit NS-Hintergrund. Zu DDR-Zeiten wohl ein Tabuthema. „Hohburg 1944/45“ – nur dies stand auf der kleinen pergamentenen Fototasche, die mir meine Oma von ihrem Vater überließ…
Bauarbeiter der Organisation Todt am Hohburger Löbenberg, 1944/45. Unten, dritter von links (mit Pfeife in der Hand) Paul Spalteholz aus Wurzen.
Vielleicht erkennt jemand einen seiner Kameraden? (Foto: Sammlung Dirk Reinhardt)
Vor etwa 10 Jahren, nach mittlerweile intensiverer Beschäftigung mit ähnlichen Themen, erwachte aber das Interesse, mehr über die Geschichte dieses Bildes zu erfahren. Leider muss ich gestehen, dass es mir bis heute nicht gelang, die Hintergründe aufzuklären. Einige Indizien und weiterführende Informationen konnten allerdings gesammelt werden.
Was ist bis heute also von dem Bergbauprojekt am Hohburger Löbenberg bekannt?
Tatsache ist bisher lediglich, dass am Hohburger Löbenberg ab Herbst 1944 die Organisation Todt bergbauliche Arbeiten begann. Bezeugt wird dies durch äußerst spärliche Notizen in Nachkriegsdokumenten. Aber eben auch durch die oben genannten Fotos meines Urgroßvaters Paul Spalteholz, der nach Frankreich- und Russlandkriegseinsatz zur sächsisch-thüringischen O.T.-Einsatzgruppe IV „Kyffhäuser“ verpflichtet wurde. Ein weiterer Zeuge ist der Arzt Werner Schmidt, der die Hohburger O.T.-Aktivitäten in seinem 1989 erschienen Buch „Leben an Grenzen. Autobiographischer Bericht eines Mediziners aus dunkler Zeit“ erwähnt. Leider war Professor Schmidt schon verstorben (18. Januar 2007), als ich seinen Augenzeugenbericht erstmalig las…
Nach allen bisherigen Erkenntnissen sollte im Bereich zweier benachbarter Steinbruchbetriebe eine geheime unterirdische Anlage gebaut werden. Zur Nutzung vorgesehen war hauptsächlich der damals bereits still liegende Steinbruch an der Südwestflanke des Löbenberges. Jener gehörte der 1927 gegründeten „Provinzial-Sächsische Steinwerke GmbH Röcknitz“, einer Tochterfirma der „Hohburger Quarz-Porphyr Werke AG“.
Bereits im Jahr 1926 hatte sich die Hohburger “Aktie” die Eigentums- und Nißbrauchrechte für diesen Teil des Hohburger Steinmassives gegen Konkurrenzunternehmen gesichert. Und brachte diese und weitere Flächen im folgenden Jahr in die mit anderen Teilhabern (Steinbruchsbesitzer Ing. Kirchhoff von „Kirchhoff & Wolf, Wildschütz“, Steinbruchbesitzer Hermann Wegener aus Hannover) sowie mit staatlicher Beteiligung der Provinz Sachsen gegründete Firma ein. Schon im September 1928 gingen Schotterwerk, Seilbahn-, Aufzugs- und weitere Anlagen sowie ein 930 m langes regelspuriges Eisenbahn-Anschlussgleis in Betrieb.
Dieses Anschlussgleis begann am Kilometer 9,92 der Eisenbahnstrecke Wurzen – Eilenburg. Von dem viergleisig ausgebauten Übergabebahnhof „Anschlussstelle Röcknitz“, zwischen den Bahnkilometern 9,326 und 10,261 WE gelegen, zweigten noch zwei weitere Anschluss- bzw. Ladegleise ab: Während am nördlichen Bahnhofskopf das Gleis für die Steinbrüche Frauen-, Zinken- und Gaudlitzberg der Hohburger „Aktie“ seinen Anfang nahm, befand sich am südlichen Ende die zweigleisige Anlage der „Röcknitzer Quarzporphyr-Werke GmbH“ mit Verladerampe. Über jene verlud man die von einer Feldbahn in 60-cm-Spur herangeführten Steinprodukte vom Schotterwerk des sich ein paar hundert Meter nördlich des Löbenbergs anschließenden so genannten “Haasens Bruch”.
Am 5. März 1925 hatte Otto Haase die „Röcknitzer Quarzporphyr-Werke GmbH“ gegründet, doch wurde der Steinbruch schon Anfang der 1930er Jahre an die Herren Schulze und Kunze verpachtet.
Zur Veranschaulichung der damaligen topografischen Situation dient dieser Meßtischblattausschnitt.
wird fortgesetzt…
Aus Anlass einer aktuellen Diskussion habe ich mich entschlossen, das mysteriöse Geschehen in Hohburg hier zu thematisieren und öffentlich zu machen. Eventuell – so die Hoffnung hinter dieser Darlegung – finden sich zukünftig weitere Belege. Oder der ein oder andere Leser (auch aus dem Ausland!) kann dazu noch ein Puzzlestück beitragen?
Were you a prisoner of war in the camp Hohburg? Please, contact me!
Были ли Вы военнопленным в лагере Хобург? Пожалуйста, отметьтесь!
Etiez-vous un prisonnier de guerre dans le camp Hohburg? S’il vous plaît, inscrivez-vous!
È stato un prigioniero di guerra di campo Hohburg? Per favore, si metta in contatto!
Były więzień wojenny, Hohburg obóz? Proszę Zarejestruj się!
Heb je een krijgsgevangenen in het kamp Hohburg? Gelieve in te loggen!
Dirk,
meine Anerkennung in so kurzer Zeit eine Seite zu “OT- Hohburg erstellt, ist eine Meisterleistung!
Da ich der 1. bin, der diese Seite beschreibt, wünsche ich mir dass sie viele neue Erkenntnisse zu diesem Objekt bringt. Forsche ja erst seit Januar 2011 im Gelände in dieser Sache. Habe aber schon einiges entdeckt. Wenn ein Bauprofi diese Seite besucht, würde ich gern mal wissen was diese Fundamente für Technik (siehe Bilder) mal getragen haben könnten? Es ist die vermutete Kompressorenstation? an der Skiwiese.
Andreas, ich habe deine Fotos mal extra hierhin gepackt:
http://muldental-history.de/index.php/geschichten/das-geheimnis-in-der-hohburger-schweiz/fotos-von-andreas-syre/
Dirk,
besten Dank für deine Mühe. Habe auch noch Bilder eines vermutlichen Gesteins- Einbruchs in die Unterwelt, wird von Tieren genutzt. Liegt in der Flucht eines Stollenvortriebes von der Skiewiese zum Löbenberg- Bruch.
ich habe in meinem Fotoalbum noch ein Foto, wo ich oben auf der Sprungschanze stehe ich war da etwa 12-13 Jahre alt, also aus dem Jahr 1963/1964, schade dass diese Schanze nicht erhalten blieb. Weiterhin habe ich ein Foto aus dem Erbe meiner Mutter, handgemalt mit Wasserfarbe, dieses ist signiert von Rudolf Dörl, der vermutlich in Hohburg wohnte und der Verlobte meiner Mutter war, das Foto könnte das alte Steinarbeiterhaus/Kirche darstellen – es ist im Format A3 gemalt worden und könnte aus den Jahren1950/1951 stammen. Das Museum Hohburg hat schon Interesse an diesem Gemälde gezeigt.
Dirk, zunächst noch alles Gute für das Jahr 2017. Habe gerade den 2. Band des Hohburger Dorfbuchs durchgelesen. Da fand ich u.a. in einer Kindheitserzählung 1931 – 1945 aus Hohburg folgende Erinnerung: „Ein 13 jähriger Junge mit Freund klaut im Mai 1945 eine Lichtmaschine, die von den Russen aus einen LKW des IG Farben Konzerns Schwarzheide herausgeschlagen wurde. Die Besatzung des LKW hatte diesen nach ihrer Flucht stehen gelassen. (wörtlich nachzulesen auf Seite 121!)
Könnte das nicht ein Hinweis auf das OT Objekt am Löbenberg sein? IG Farben Schwarzheide (Ruhland) = Hydrierwerke BRABAG = Schwalbe II. Was sollte gerade ein LKW von dort in Hohburg, wo die Besatzung flüchtet?
Hallo Andreas,
auch dir wünsche ich alles Gute für 2017!
Da muß ich mir den 2. Band wohl doch noch zulegen (reingelesen habe ich schon!). Möglich ist natürlich noch immer vieles. Leider habe ich bisher keinen wirklich konkreten Hinweis finden können. Auch nicht über die Brabag Schwarzheide. Denn die von dir gefundene Erinnerung ist nicht die Einzige. Allerdings sieht es hierbei m.E. nur danach aus, daß Hohburg EIN Fluchtpunkt für Schwarzheider war. Im März 1945 wurde das Brabag-Werk in Schwarzheide mehrfach von US-Bombern angegriffen, die Produktionsanlagen zerstört. Als dann die Sowjetarmee von Osten anrückte, wurde das zur Brabag gehörende Außenlager vom KZ Theresienstadt evakuiert und die Gefangenen am 18. April nach Süden auf einen „Todesmarsch“ geschickt. Jedoch flüchteten auch Schwarzheider Zivilisten und Werksangehörige. Laut einer Werkschronik verließ in der Nacht zum 20. April ein von der Werksleitung zusammengestellter Flüchtlingstreck den Ort in Richtung Westen. Dies schilderte auch Heinz Halpick im Januar 2015 in „Erinnerungen an meine Kindheit, einige Erlebnisse vor 1945, 1945 und nach 1945 in Schwarzheide“: „Mein Vater war Kraftfahrer auf der Brabag, er fuhr einen Brabag-eigenen… Mercedes Omnibus… Jedenfalls hieß es dann am 20. April 1945 die Schwarzheider Zivilbevölkerung wird evakuiert… Für alle reichten die Transportfahrzeuge sowieso nicht… Wir haben am frühen Abend auf dem Parkplatz vor dem Brabag-Werk Haupteingang mit etwas Handgepäck den Bus bestiegen, gemeinsam mit vielen anderen Bewohnern. Ob weitere Fahrzeuge am Transport beteiligt waren, ob das Ziel der Fahrt bereits feststand oder ob es nur hieß Richtung Westen… ich weiß es nicht. Auch ob jemand den Transport organisierend oder leitend begleitet hat, ob jemand das Sagen hatte, keine Ahnung… jedenfalls landeten wir irgendwann in dem Ort Hohburg bei Wurzen/Sachsen.“
Quelle hierfür ist: http://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/erinnerungen_an_meine_kindheit.pdf
Ob nun Hohburg, was zumindest, laut Halpick, über Mühlberg erreicht wurde, bewußt als Ziel gewählt wurde, oder nur zum Endpunkt wurde, weil die Mulde zu diesem Zeitpunkt schon Frontlinie war (eine evtl. geplante Überquerung in Eilenburg oder Wurzen scheiterte sicher an der militärischen Lage dort) und somit in Richtung Westen nicht mehr passiert werden konnte, konnte ich noch nicht klären.
Es bleibt weiter spannend!
Dirk,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Was Du schreibst von dem Zeitzeugen aus Schwarzheide sowie deine Vermutung klingen plausibel. So kann es gewesen sein.
Ja, es bleibt weiterhin spannend!
Die Anordnung der vier Fundamente könnte m.E. für eher eine statische Last als für eine dynamische Last sprechen, also z.B. für einen Tank auf Grund der länglichen Lage. Allerdings zu Kriegsende ist vieles denkbar.
Vielen Dank Roger,
also könnte ein Kessel von einer Kompressorenstation darauf gestanden haben.