Für viele Leser dieser Seite wird die Trebsener Eisenbahngeschichte nur Teil eines viel größeren Zusammenhangs sein. Für andere ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Wieder andere werden, wenn sie Bahnhof Trebsen lesen, sich vielleicht noch daran erinnern, wie dieser am 14. Juli 1938 traurige Berühmtheit erlangte, als ein Ausflugsbus in einen Zug fuhr und 10 Frauen und Mädchen ihr Leben verloren… Doch es gibt hier auch andere erzählenswerte Begebenheiten und Geschichten, beispielsweise die folgende:
Der alte Doppeldecker – eine außergewöhnliche Lokomotive um 1920 in Trebsen
Mit Einweihung des restlichen Teils der Eisenbahnstrecke von Beucha nach Trebsen am 30. September 1911 erhielt die damals „Trebsen-Pauschwitz“ benannte neue Bahnstation, auf Grund besserer betrieblicher Verkehrsabwicklung, einen so genannten Lokbahnhof. In diesem Lokschuppen, der heute nur noch in teilweise verfallenen Resten erhalten ist, wurden nun über viele Jahrzehnte die Stammlokomotiven der Linie untergestellt.
3 – 4 Lokführer und die dazugehörigen Heizer wurden, laut damals üblicher Regelung, hierher versetzt. Doch schon bald waren sie in Trebsen und Umgebung heimisch geworden. Namen wie Werner, Fiedler, Reff, Schäfer und Krause und wie sie alle hießen, dürften wohl einigen Älteren noch bekannt sein.
Die zum Einsatz gekommenen Lokomotiven waren zunächst Maschinen der sächsischen Bauarten V T (spätere Baureihe 89), V V (BR 53.80), IV T (BR 71.3). Jahre später folgten auch ehemals preußische Lokomotiven wie die berühmte P 8 (BR 38.10) und T 12 (BR 74). Sowie die DDR-Reichsbahn-Baureihen 65.10 und V 100 u.a. Von den Leipziger und Engelsdorfer „Heizhäusern“ aus kamen auch noch einige andere Gattungen auf der Nebenbahnstrecke bis Trebsen zu Diensten.
Genauso verhielt es sich wohl auch mit der untenstehend abgebildeten Lokomotive. Das Originalfoto (welches mir die Familie Werner aus Trebsen freundlicherweise für meine Sammlung schenkte) zeigt eine absolute Rarität sächsischer Eisenbahngeschichte! Und selbst „eingefleischten“ Experten dürfte deren Einsatz auf der „Trebsener Schiene“ bisher unbekannt gewesen sein.
„Der alte Doppeldecker“. Oben v.l. Lokführer Richard Werner (Trebsen) und Lokführer Böttcher,
unten v.l. Heizer Karl Schäfer, Robert Krause (beide Trebsen) und Wagner
Foto: Sammlung Dirk Reinhardt
Die um 1920 hier am Bahnhof fotografierte Lokomotive ist eine Vertreterin der nur in wenigen Exemplaren gelaufenen Gattung XVI T (früher VII TS). Und eigentlich besteht diese Lok mit der ab 1920 amtlichen Bahnnummer 1500 A/B aus ZWEI Lokomotiven: Der CUNEWALDE (Fabriknr. 1654, Bahnnr. 811, später 1510) und der HALBENDORF (Fabriknr. 1655, Bahnnr. 812 bzw. 1511). Beide Maschinen, von der Chemnitzer Lokomotiv-Baufirma Hartmann 1890 gebaut, wurden schon recht bald miteinander verbunden. Da jede Einzelne den ansteigenden Last- und Verkehrsbedingungen bei der Königlich Sächsischen Staatseisenbahn nicht mehr gewachsen war, als Doppellok jedoch höhere Leistung erbringen konnte. Ausreichend zumindest für Nebenbahndienste, wo man zu dieser Zeit nun einige übriggebliebene Einzelgänger, kurz vor der Ausmusterung stehende oder durch neuere Maschinen von den Hauptstrecken verdrängte Lokomotiven einsetzte. Sozusagen, um sich ihr „Gnadenbrot“ zu verdienen.
Trotzdem war unserer Lok bei der 1920 gegründeten Deutschen Reichsbahngesellschaft DRG kein weiteres Leben vergönnt. Schon im Jahre 1922 wurde sie, wie fast alle anderen dieses Typs, ausgemustert. Was wundert es da, daß diese, offiziell als Verbundlokomotive bezeichnete Sächsin von den hiesigen Bahnbeamten humorvoll „der alte Doppeldecker“ genannt wurde? Gern ließ man sich mit ihr fotografieren. Denn mit dem wohl nur kurzzeitigen Einsatz dieser Maschine auf der Strecke Beucha-Trebsen schrieb man schließlich Verkehrsgeschichte! Wenn auch erst heutzutage, nach der schon vor einigen Jahren erfolgten Einstellung des Bahnbetriebes, davon Notiz genommen wird…