Die Zeit zwischen Mai und Oktober ist seit über 100 Jahren die beliebteste Urlaubs- und Reisezeit der deutschen Bevölkerung. Zieht es uns heute aber eher in fremde Länder und an ferne Strände, mussten unsere Vorfahren mit näher liegenden Zielen Vorlieb nehmen. Das lag hauptsächlich an dem kleineren Geldbeutel. Auch gab es damals weit weniger Urlaubstage. Dennoch wurde fast jeder freie Sonntag für Ausflüge genutzt. So fuhren natürlich ebenfalls die Leipziger Großstädter gern und oft „ins Grüne“ der nahen Umgebung zur Erholung.
Dort müssten sie sich demzufolge gut auskennen. Das meinte zumindest die illustrierte Wochenschrift „Der Leipziger“ zu Weihnachten 1906. Und veröffentlichte einige Fotos, die P. Steinmetz von Leipziger Wanderfreunden in felsiger Umgebung aufgenommen hatte – angeblich in den „Leipziger Alpen“. Nun forderte das Unterhaltungsblatt seine Leser auf, mitzuteilen, wo sich diese eigentlich genau befänden.
Ausschnitt aus: „Der Leipziger – Illustrierte Wochenschrift“ (hier vom 2. Februar 1907). Anhand der abgebildeten Fotos
sollten die Leser damals den genauen Ort der „Leipziger Alpen“ benennen. (Repro: Dirk Reinhardt)
Nicht gemeint war übrigens der im Leipziger Rosental befindliche 20 m hohe Scherbelberg, der auf mehreren, um die Jahrhundertwende erschienen humoristischen Postkarten ebenfalls als „Leipziger Alpen“ titulierte. Denn jener war ja nur eine ab 1887 aus 60000 Pferdefuhren Hausmüll aufgeschüttete, anschließend begrünte und mit einem Aussichtsturm bebaute Anhöhe.
Es war, zugegebenermaßen, recht schwer, nur anhand der abgebildeten Steinbruchs-Fotos den Ort zu erkennen. Damit Sie es, werte LeserInnen, etwas leichter haben, füge ich noch einige weitere historische (leider etwas verblaßte) Fotos sowie eine das Areal teilweise überblickende Postkartenansicht bei. Auf letzteren beiden zeigt sich, etwas versteckt zwischen den Bäumen, eine hölzerne Brücke, die über den schluchtartigen Zugang für eine Feldbahn führt. Damals ein sehr markantes Detail des zu erratenden Ortes. Bei dem es sich, das ist Ihnen natürlich längst klar, um einen Ort im Muldental handelt.
Eine musikalische Wandergruppe im Juli 1919 in den “Leipziger Alpen”. (Foto: Sammlung Dirk Reinhardt)
Beachten Sie das markante Detail im Hintergrund. Ebenfalls im Juli 1919 fotografiert. (Foto: Sammlung Dirk Reinhardt)
„… Motiv im Steinbruch…“ – natürlich habe ich die Ortsbezeichnung herausretuschiert! Im oberen Drittel, ein wenig links der Mitte zwischen
den Bäumen, nochmals die markante hölzerne Brücke. (Ansichtskarte: Sammlung Dirk Reinhardt)
Da die Illustrierten-Leser damals diese Hilfe nicht hatten, konnte die Zeitschrift in der Ausgabe vom 2. Februar 1907 dann auch nur feststellen, dass sich „unsere Ausflügler redliche Mühe gegeben (haben)“. Dennoch gab es „fast keinen Ort, der nicht mindestens von einem geraten worden wäre. Bei diesem sind es die Sellerhausener Sandgruben, bei jenem der Unterbau des Völkerschlachtdenkmals (damals noch im Bau begriffenen, d.A.), der eine vermutet den Abhang der Dürrenberger Halde, der andere den Ehrenberger Granitbruch bei Altenburg. Ein Witzbold schreibt: Auszug aus Bädeker ’Leipziger Alpen’. Die Dolomiten bei Kleinzschocher. Am bequemsten zu erreichen mit den Linien 3 und 5, Fahrpreis 0,10 M. Aber nur im Sommer zugänglich, da im Winter sämtliche Pässe verschneit sind“.
Nur einige wenige kamen der Lösung etwas näher. Ein Leser meinte, „daß die ‚Leipziger Alpen’ entweder in den Beuchaer Brüchen oder in den Lüptitzer zu finden sind. Genau kann man das wohl kaum sagen, da ja diese Stellen durch Sprengungen fast immer ihr Aussehen wechseln und bestehende Wasserlachen von Zeit zu Zeit ausgepumpt werden“. Eine weitere Ausflüglerin erkannte „die Steinbrüche hinter dem Kolmberge bei Brandis, ein unvermutet romantisches Stückchen Erde!“ Selbige wollte dann sogar beim nächsten dahingehenden Ausflug eine Ansichtskarte schicken, bezweifelte „aber stark, daß es dort solche gibt“. Womit sie, was wir noch sehen werden, aber wirklich falsch lag.
Nur eine einzige richtige Antwort – noch dazu aus dem Ausland! – ging bei der Illustrierten-Redaktion ein. Diese kam von „Fräulein Leonie von Aesch in Kladno bei Prag“. Allerdings war jene eine gebürtige Leipzigerin und „kenne noch jeden Stock und Stein um Leipzig in einer Entfernung, soweit die Sonntagsausflugs-Eßtrommel reichte. In Brandis stiegen wir eines schönen Tages aus, bei AMMELSHAIN sahen wir die Leipziger Alpen und von Naunhof aus kehrten wir zurück.“ Es muss wohl ein sehr schöner Sonntagsausflug gewesen sein, weil sie sich so genau daran erinnern konnte! Vielleicht hatte sie aber nur eine damals in Ammelshain erworbene Ansichtskarte aufgehoben? Denn davon gab es tatsächlich mehrere. Und einige davon bildeten auch den Haselberg mit Steinbruch und Bossiererhütten ab.
Nachstehend ein paar Beispiele Ammelshainer Ansichtskarten um 1900.
Mit der Steingewinnung an diesem Berg hatten ortsansässige Bauern schon vor längerer Zeit begonnen. Doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm dies größere Züge an. Insgesamt fünf Unternehmer bauten hier einstmals Steine ab. Drei gaben allerdings bereits kurz vor der Jahrhundertwende den Steinabbau wieder auf. In diesen aufgelassenen Brüchen übernahm die Natur erneut das Zepter. Die anfänglich kleinen Wasserlachen auf tieferen Sohlen wurden größer und der Wasserspiegel stieg von Jahr zu Jahr. Bald schon entdeckten die Ausflügler aus der nahen Großstadt diese romantischen Fleckchen. Und besonders im Sommer herrschte hier dann ein reger Badebetrieb. Während einige nur Erfrischung suchten, fanden andere wohl auch Spaß am Herumklettern im felsigen Terrain. Im Herbst 1937, als die Firma „Rudolph Ebert & Co“ die ehemals aufgelassenen Steinbrüche erneut in den industriellen Steinabbau integrierte, endete diese Sonntagsausflugsherrlichkeit. Erst im September 1963 wurde der Steinbruchsbetrieb dann endgültig eingestellt.
Wieder waren es auch viele Leipziger, die ab den 1960er Jahren im Ammelshainer Steinbruch badeten, tauchten, sich sonnten –
und dies natürlich fotografierten (“Foto: Flohrer, Leipzig”)! (Ansichtskarte: Sammlung Dirk Reinhardt)
Nun – hätten Sie die eingangs gestellte Frage beantworten können? Wenn nicht, dann sei Ihnen demnächst ein Ausflug in die „Leipziger Alpen“ empfohlen. Oder vielleicht lieber in die „Dolomiten“ der benachbarten Steinarbeiter-Ortschaften? Allerdings tut es mir sehr leid, daß Sie dafür nicht mehr die “gute, alte Eisenbahn” benutzen können…
HILFE!
Ich bekam dieser Tage eine Email hierzu. Leider habe ich diese beim Lesenwollen – aus Versehen!!! – irgendwie gelöscht… Tut mir leid! Aber vielleicht könnte es der Schreiber nochmals versuchen?