Nachstehend möchte ich eine Geschichte der “Muna” aus den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges, ergänzt durch einige Daten und Bilder aus der Zeit ihrer Entstehung, aufgreifen, die für das Weiterbestehen – nicht nur von Altenhain – sehr große Bedeutung hatte. In mehreren Gesprächen erzählte uns Karl-Heinz Mohr seine Geschichte:
… als Munitionsarbeiter in der “Muna” Altenhain
Geboren am 16. Januar 1928 in Zeithain b. Riesa war Karl-Heinz Mohr 1935 mit seinen Eltern nach Naunhof gekommen. Hier verbrachte er seine Kindheit. Nach der Schule wollte er eigentlich eine Lehre als Motorenschlosser auf dem Flugplatz in Waldpolenz beginnen. Doch dazu kam es nicht. Stattdessen wurde er Musikschüler an der Musikschule Blohm in Naunhof.
Was er zu dieser Zeit nicht wusste, auch nicht wissen konnte, war, daß im nur wenige Kilometer entfernten Altenhain eine so genannte „Muna“ (Heeres-Munitionsanstalt) existierte, die zur Lagerung und Schußfertigmachung von Munitionsteilen für das deutsche Heer diente. Dieser offiziell als „H.Ma. Altenhain“ bezeichnete heereseigene Rüstungsbetrieb war ab April 1939 errichtet worden. Dazu hatte die Wehrmacht ein etwa 175 ha großes, vorher nur holzwirtschaftlichen Zwecken sowie der Jagd dienendes Waldgrundstück, etwa 500 m nördlich des Ortes gelegen, käuflich erworben. Der Kaufpreis betrug 382.967,33 RM.
Die Südostecke des Hinteren Planitzwaldes vor dem Bau der Munitionsanstalt. (Karte: Sammlung Dirk Reinhardt)
An den Bauarbeiten waren, neben verschiedenen Baufirmen aus der Region und dem Reichsarbeitsdienst auch Gefangene (zunächst straffällig gewordene Wehrmachtsangehörige) beteiligt. Obwohl bis Kriegsende an der „Muna“ gebaut wurde, fand die offizielle Inbetriebnahme schon am 1. Juni 1940 statt. Neue und später auch aufgearbeitete Munition wurde nun, „dank“ des von Hitler vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkrieges, an allen Fronten benötigt!
Gleich nach Übergabe des Geländes an den “Reichsfiskus Heer” am 1. April 1939 begannen die Bauarbeiten. (Auszug aus der Heeres-Dienstvorschrift H.Dv. 454/1 vom 12.6.1935 über den Bau von Munitionsanstalten, Quelle: BA-MA Freiburg, RHD 4/454-1; Fotos: Sammlung Dirk Reinhardt)
Zuständig für den Bau war das Heeresbauamt I Leipzig. Das “kriegswichtige” Projekt lief als Baumaßnahme 4168. (Quelle: Staatsarchiv Leipzig, AH Grimma, Nr. 3283)
Bis zu einem Arbeitsunfall zählte auch mein Urgroßvater (stehend, 2. von rechts) zu den Bauarbeitern in Altenhain. Beschäftigt war er bei der Trebsener Baufirma Hermann Kunze. (Foto: Sammlung Dirk Reinhardt)
Ausschnitt aus einem Lageplan der H.Ma. Altenhain von 1942. Zur Logistik der Anlage war selbstverständlich ein Anschlußgleis zum Reichsbahn-Bahnhof Altenhain erforderlich. Dieses erreichte insgesamt etwa 10 Kilometer Länge. Links vom Haupteingang befand sich das behelfsmäßige Bauarbeiter- und Gefangenenlager. Dieses bestand aus mehreren hölzernen Baracken. (Sammlung Dirk Reinhardt)
Am 1. Juni 1940 fand die offizielle Aufstellung der “Feldzeugdienstelle H.Ma. Altenhain” durch das OKH/Fz.In. (Oberkommando des Heeres/Feldzeug-Inspektion) statt. Sie gehörte zum Feldzeugkommando IV Dresden, welches unmittelbar dem AHA (Allgemeines Heeresamt) beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres im OKH unterstand. Links der Eintrag aller wichtigen Anschrifts-, Telefon- , Frachtverkehrs- und Bankdaten (BA-MA Freiburg, RHD 42/26); rechts Stempel-Abschlag der “Muna” mit Unterschriftenkürzel des damaligen Vorstands, Hauptmann Werner Joers. (Staatsarchiv Leipzig, AH Grimma, Nr. 3283).
Briefkopf und Briefstempel für ausgehende Post (Sammlung Dirk Reinhardt) sowie einige Militärs aus der Führung der Anstalt bei einem Essen mit Besuchern – vermutlich vom nahegelegenen Flugplatz in Brandis-Waldpolenz oder einer Flak-Einheit der Luftwaffe? – am früheren Küchengebäude (Foto: Sammlung Martina Seidel).
In den ersten Kriegsjahren waren zumeist deutsche Arbeiter aus den umliegenden Gemeinden und Städten in der Munitionsfertigung eingesetzt. Diese wurden sogar täglich mit eigens beschafften Bussen herangeholt. Doch die ab 1943 eingetretene Kriegslage änderte die Situation. Neben nach oben geschraubten Aufgaben in der Munitionsfertigung machte sich jetzt ein akuter Arbeitskräftemangel bemerkbar – fast alle greifbaren männlichen Arbeiter aus der Rüstungsindustrie wurden in dieser Phase des 2. Weltkrieges an die Fronten abkommandiert. Selbst soldatische Aufgaben mussten zunehmend von Zivilisten übernommen werden. Das führte dazu, dass ab dieser Zeit weibliche Häftlinge aus dem Zuchthaus Zwickau sowie Kriegsgefangene anderer Nationen (u.a. Polen, Holländer, Franzosen, Belgier, Russen, Engländer) nach Altenhain kamen. Diese ersetzten nun gezwungenermaßen die fehlenden Arbeitskräfte. Zusätzlich wurden aber auch bisher nicht berufstätige deutsche Frauen, ältere Menschen, und noch in der Lehre befindliche Mädchen und Jungen zum Arbeitsdienst in der Rüstungsindustrie des Dritten Reiches verpflichtet.
“Während die Männer an der Front ihre Pflicht erfüllen, helfen Deutschlands Frauen, … das deutsche Schwert zu schärfen! In den oft weitab gelegenen Heeres-Munitionsanstalten sind dienstverpflichtete Frauen, meist jüngere Mädchen, tätig. Sie schaffen den Munitionsnachschub für unsere Soldaten an der Front. Nicht nur die Arbeitsräume… sind luftig und hygienisch, sondern man hat auch für freundliche Schlaf-, Wohn- und Gemeinschaftsräume, für Dusch-, Wasch- und Badegelegenheiten gesorgt, damit sich alle wohl und heimisch fühlen können. Hier sieht man einen der blumengeschmückten Arbeitsräume, in dem das Pulver abgewogen wird”. So der Untertitel und die Beschreibung dieses Bildes (Bild 12, 20.3.1941, von PK-Grimm, Herausgeber Aktueller Bilderdienst J.J. Weber, Leipzig). Ob das Obengesagte von den Gefangenen auch so gesehen wurde? (Foto: Sammlung Dirk Reinhardt)
Dies betraf nun gleichfalls die Naunhofer Musikschule. So wurde Karl-Heinz Mohr im Spätherbst 1944, am 2. Oktober, zur „Muna“ nach Altenhain dienstverpflichtet. Hier wurde der damals 16-Jährige in der Munitionsfertigung eingesetzt. Und sollte die deutsche Rüstungsproduktion in der Endphase des Krieges eindrucksvoll kennen lernen.
Die Unterbringung der dienstverpflichteten deutschen Jugendlichen erfolgte zunächst in dem südlich der „Muna“ gelegenen Barackenlager. Die hölzernen Baracken waren stacheldrahtumzäunt und wurden bewacht. In zwei extra umzäunten Baracken waren hier auch strafgefangene deutsche Frauen aus dem Zwickauer Zuchthaus untergebracht. In anderen Baracken hielt man Polen und Russen gefangen. Sowie ehemalige italienische Soldaten, die nach dem Ausscheiden ihres Landes aus dem Hitler-Pakt interniert worden waren. Weiterhin existierte, etwas abseits gelegen, noch ein Arbeitskommando englischer Kriegsgefangener. Alle dieses Menschen mussten in der „Muna“ oder den umliegenden Steinbrüchen überaus hart arbeiten.
Who knows the surnames of these British-POW (prisoners of war)? Eine Gruppe englischer Kriegsgefangener des “Working Detachement No. 57” in Altenhain 1944. Oben, v.l.: Sid, Bob, Jim sowie knieend Joe und Albert. Joe wurde bei Tunis gefangen genommen. Sie alle arbeiteten in der Schmiedewerkstatt des Steinbruchs. Leider sind ihre Nachnamen unbekannt. (Foto: Rolf Jung)
Nach einigen Tagen wurden die deutschen Arbeiter in einem festen Steingebäude (einem freigewordenen Unteroffiziers-Wohngebäude) im Verwaltungsgebiet der „Muna“ untergebracht. Im Gegensatz zu den Gefangenen erhielten sie Lohn und eine ausreichende kostenfreie Verpflegung. Was einige der Jugendlichen, trotz Strafandrohung, veranlasste, den Gefangenen heimlich von ihrem Essen abzugeben. Allerdings mussten sie dabei stets auf das eingesetzte Wachpersonal acht geben.
Die Arbeitszeit in der H.Ma. Altenhain dauerte von Montag bis Samstag von 07.00 – 17.00 Uhr, inklusive einer Frühstücks- und Mittagspause (wozu das Fertigungsgelände jedes Mal verlassen werden musste). Die Einnahme des Essens erfolgte in der Kantine im südlichen Teil des Objektes. Kino oder andere Veranstaltungen, die es in den ersten Betriebsjahren noch gegeben hatte und die meistens im so genannten Wohlfahrtsgebäude stattfanden, gab es Ende 1944/Anfang 1945 schon lange nicht mehr.
Eingesetzt wurde Karl-Heinz Mohr in einem der im zentralen Teil der Munitionsanstalt gelegenen Munitionsarbeitshäuser in der Artilleriegranatenfertigung. Das Personal jedes Arbeitshauses verarbeitete nach vorbestimmten Plänen verschiedene Munitionsarten oder –teile und unterstand der Oberaufsicht eines Heeresfeuerwerkers. Bei Herrn Mohr war dies der damals in Trebsen wohnhafte Paul Brückner.
Karl-Heinz Mohr im Jahr 2007 vor dem Wachgebäude am Haupteingang zur “Muna”.
Er hält einen Original-Weidenkorb, der zur Verpackung von Artilleriegranaten diente, in den Händen.
(Foto: Dirk Reinhardt)
Zur Schussfertigmachung der Granaten mussten noch der Sprengstoff und die Zünder in die Hülsen eingebracht werden. Nach dem Wiederzusammenbau wurden sie geprüft, mit einem Stempel des jeweilig aktuellen Monats bedruckt, dann kamen die Geschosse in hölzerne Transportkisten oder in Weidenkörbe. So verpackt ging es auf die dann meist schon bereit stehenden Eisenbahnwaggons, die anschließend direkt zur kämpfenden Truppe gefahren wurden. Gute Arbeiter schafften etwa 130 bis 140 Granaten am Tag, verdienten damit monatlich 240 bis 260 Reichsmark.
Titelseite eines damaligen Arbeitsbuches und Ausschnitt aus einer Quittungskarte der Landesversicherungsanstalt Sachsen (für die Betriebskrankenkasse des Reichs, Berlin) mit Einträgen von der Lohnstelle der Heeresmunitionsanstalt Altenhain. (Sammlung Andre Milich)
Kritische Situationen hatte der junge Karl-Heinz Mohr ebenso zu überstehen, unter anderem als eine Granate von einem Arbeitstisch rollte. Zum Glück explodierte sie nicht, musste nun aber entschärft werden.
Ein ihm noch heute in bleibender Erinnerung haftendes Erlebnis sollte Karl-Heinz Mohr aber noch bevor stehen. Anfang April 1945 waren die unaufhaltsam anrückenden amerikanischen und sowjetischen Truppen an den westlichen und östlichen Grenzen Sachsens angekommen und stürmten nun in Richtung Mulde. Schon ab dem 8. April wurden die „Muna“-Arbeiter entlassen und bekamen für längere Zeit zum letzten Mal Lohn und Verpflegung. Am 10. April erfolgte dann die endgültige Einstellung der Munitionsfertigung in Altenhain.
Nun gab es nur noch Arbeiten zur Vorbereitung der Räumung, Akten wurden vernichtet und ein LKW Opel Blitz mit Panzerfäusten beladen. Trotz Tieffliegerbeschuss erreichte dieser noch seinen Bestimmungsort – den Volkssturm in Trebsen. Allerdings warfen dann die “älteren Herren” bei Annäherung der ersten amerikanischen Truppen ihre Waffen weg und verließen fluchtartig die Stellung an der ehemaligen Straßenwärterbude an der Straße nach Grimma.
Vermutlich am Vortag oder in der Nacht zum 10. April, waren die strafgefangenen Frauen, Russen und wohl auch die englischen Kriegsgefangenen aus Altenhain verlegt worden. Nur die Italiener verblieben noch vor Ort und beratschlagten später, wie es weitergehen sollte. Während eine Gruppe nach Grimma ziehen wollte, zog es andere nach Trebsen oder Golzern (in der dortigen Papierfabrik befand sich ein größeres Lager der Wehrmacht). Von dieser Gruppe könnten dann möglicherweise die Italiener gestammt haben, die wenig später mit einem deutschen LKW aufbrachen. Von den anrückenden Amerikanern wurden jene dadurch jedoch fälschlicherweise für feindliche Soldaten gehalten, beschossen und getötet.
Für Herrn Mohr sollte der 12. April der offiziell letzte Arbeitstag sein. Doch es kam anders! Wohl wegen seiner „Nebentätigkeit“ als Mitglied der betrieblichen Feuerlöschgruppe der Munitionsanstalt musste er weiter Dienst tun. So übertrug man ihm die Aufgabe, mit einem der vorhandenen Pferdegespanne, Sprengladungen an die jetzt im Gelände tätige Wehrmachts-Pioniereinheit zu verteilen. Die „Muna“ wurde, getreu dem so genannten “Nero”-Führerbefehl vom 19. März, zur Sprengung vorbereitet! Ebenfalls zum nahe gelegenen Flugplatz Waldpolenz hatte er Sprengladungen und Zündschnüre zu transportieren. In der Nacht vom 13. zum 14. April zogen die Pioniere die Zündkabel, verbanden sie in einer Remise des Rittergutes mit dem dort aufgestellten Zündapparat und verließen Altenhain mit unbekanntem Ziel.
Nur heimlich trugen sich einige der verbliebenen Militärs und Arbeiter mit dem Gedanken, die bevorstehende Sprengung irgendwie zu verhindern. Grund war wohl die Überlegung, was passieren würde, wenn… Denn die etwa hundert Bunker der „Muna“ waren noch bis zum Bersten gefüllt mit Munition und Sprengstoffen aller Kaliber. Sogar in offenen Stapeln lagerte die Munition bis hin zur Sechs-Wege-Kreuzung (nördlich der Anlage).
Und schließlich war da auch die – bisher noch nicht restlos aufgeklärte – Sache mit den chemischen Kampfstoffen. Im Februar 1945 war vom Oberkommando des Heeres die Auslagerung der Altenhainer Gas-Munition geplant worden. Wahrscheinlich sollte diese auf Kähne an der Elbe bei Torgau verladen werden. Unklar ist bisher aber noch, ob diese Maßnahme wirklich anlief, bzw. ob sie sich letztendlich, auf Grund der sich überstürzenden Kriegslage, nur noch auf die Wegbringung der moderneren, gefährlicheren und hoch geheimen deutschen Nervengifte bezog.
Ausrisse aus einem Schreiben des Generalquartiermeisters des Heeres “Az.I/01 182/45 g.Kdos. vom 04.02.1945 betreffend die Gaskriegsvorbereitungen” über die geplante Räumung der Kampfstoffbestände in den deutschen Munitionsanstalten. (Quelle: BA-MA Freiburg, RW 4/720)
Für die Räumung der in Altenhain gelagerten chemischen Kampfstoffe waren 148 Reichsbahn-Güterwagen eingeplant. Vermutlich auf Grund ihrer Lage in Mitteldeutschland stand die hiesige “Muna” allerdingst erst an 9. Stelle der Dringlichkeit. Einen Termin für die Auslagerung gab es ebenfalls noch nicht. Und es ist weiterhin fraglich, ob überhaupt, wann genau und welche Gasmunition abgefahren wurde. (Quelle: BA-MA Freiburg, RW 4/720)
Laut amerikanischen Archiv-Angaben (NARA Washington: “Location of German Ammunition Depots containing Gas weapons”), die von ehemaligen Angehörigen der K-Company, 273rd Infantry Regiment, 69th Infantry Division (die die „Muna“-Bewachung ab 20. April übernahmen) aus eigenem Erleben mir gegenüber bestätigt wurden, lagerten in Altenhain etwa 125.000 Phosgen- und Lost-Granaten. Russische Angaben sowie Aussagen von Mitgliedern der nach dem Krieg eingesetzten Räum- und Spreng-Kommandos bestätigten dies ebenso. Demnach wurden so genannte „Grünring“-Granaten in Altenhain verladen und „nach Norden, zur See“, also zur Versenkung in Nord- und Ostsee, per Bahn abtransportiert.
Hätte vermutlich also schon allein die konventionelle Munition ausgereicht, um bei der geplanten Sprengung der Anlage große Zerstörungen (nicht nur in Altenhain!) anzurichten, wäre die Wirkung der vermutlich nicht abtransportierten Gasmunition eine noch viel barbarischere gewesen – einige Zeitzeugen sprechen gar von einer „Todeszone bis Leipzig”…
Trotz der Angst vor einer Bestrafung, die zur damaligen Zeit sehr schnell zu einem Todesurteil hätte führen können, gelang es noch am frühen Morgen des 14. April, das Zündkabel an mehreren Stellen durchzuschneiden. Karl-Heinz Mohr war Derjenige, der den Mut hatte, diese Tat zu begehen. Wenn er heute daran zurück denkt, überkommt ihn noch immer ein seltsam beklemmendes Gefühl. Setzte er doch dabei sein eigenes junges Leben auf`s Spiel! Hauptmann Arthur Becker, der damalige Vorstand und Kommandeur der H.Ma. Altenhain (welcher den noch zum Major beförderten Werner Joers abgelöst hatte), soll angeblich die Sprengung ebenso abgelehnt haben. In Karl-Heinz Mohr hatte dieser aber – zumindest praktisch – einen Helfer, von dessen Tat Becker wohl nichts ahnte.
In den letzten zwei Tagen vor der Einnahme Altenhains durch Truppen der amerikanischen 9th Armored und 69th Infantry Division tat sich nicht mehr viel. Außer dem “Muna”-Kommandeur, den Wachsoldaten und einigen wenigen anderen Personen (darunter auch der Ex-Heeresinfanteriegeneral Viktor von Schwedler – aus Hitlers Führerreserve), befand sich hier kaum noch Militär. Ein paar Unteroffiziere zogen es vor, sich kurz vor Schluss „zu Bekannten abzumelden“. Karl Heinz Mohr erwartete die Ankunft der amerikanischen Infanterie- und Panzertruppen im Rittergut Altenhain, wo er sich um die ehemaligen Pferde der Munitionsanstalt kümmerte. Etwa 75 Gefangene machten die Amerikaner bis zum Nachmittag des 16. April 1945 in und um Altenhain. Auf Grund der verhinderten Sprengung der Munitionsanstalt fiel ihnen diese aber ohne den befürchteten großen, tödlichen Knall in die Hände!
Nach den Kampfeinheiten der 9th Armored Division (9. US-Panzerdivision) übernahmen Truppenteile des 3. Bataillons des 273. Infanterieregiments der 69. US-Infanteriedivision ab dem 20. April 1945 die Bewachung des Altenhainer Munitionslagers. Das Foto zeigt einige GI’s des 4th Platoons (Heavy Weapons) der K-Company/273.I.R. vor dem Verwaltungsgebäude der H.Ma. Altenhain (Collage: Dirk Reinhardt, unter Verwendung eines von Joe Lipsius, Webmaster 69th Infantry Division , zur Verfügung gestellten Fotos)
Karl-Heinz Mohr blieb bis zum Sommer in Altenhain. So erlebte er noch die Umfunktionierung der Baracken und Wohnhäuser der „Muna“ zum „Repatriierungslager“ (Auffang- und Sammellager für ehemalige alliierte Kriegsgefangene und Zivilisten). Danach kehrte er nach Naunhof zurück, wo er die Ausbildung zum Musiker erfolgreich fortsetzen konnte.
Pfc. Alan H. Murphey, von der Nachrichten- und Aufklärungsabteilung der Stabskompanie des 3. Bataillons
des 273. I.R., welche die Repatriierungslager in Altenhain, Waldpolenz und Grimma betreute.
Das gemalte Schild weist in zwei Sprachen den Weg zum Lager.
(Foto: Sammlung Altenhainer Heimatverein e.V., Arbeitsgruppe Ortsgeschichte)
Ab Anfang Juli 1945 übernahmen neue Herren die Altenhainer „Muna“: Doch selbst die sowjetische Armee führte die Anlage zum selben Zweck weiter, für den sie errichtet worden war – als zentrales Munitionslager für ihre 8. Gardearmee mit Stabssitz in Nohra bei Weimar. Zwar wechselten in den nächsten 47 Jahren die eingelagerten Munitionsarten, einige Technik und die Befehlssprache – aber der Ton blieb insgesamt derselbe… Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte!
Quellen:
Interviews mit Karl-Heinz Mohr, Naunhof, am 13.08., 18.08. und 07.09.2007 sowie im Text angegebene Quellen
Hey
I am a dane trying to sort out the fate of the German CW during the end of the war and in the years 1945 – 1948. I am particularely interested in information on shipments of CW in the end phase of the war. I see you have found something in Freiburg. I have found other relevant information in the British National Archieves in Kew near London, and I can recommend searching the files in DEFE 3 which is ULTRA decrypts from Bletchly Park. I have searched those for the last months of the war and they add to the in the sense, that the blowing up of CW munition was forbidden! Further they show, that “spitzen kampstoff” had first priority. The rest should be evacuated if possible but if not left behind and not blown up.
Would you be interested in sharing information?
Yours sincerely
Jørgen Kamp
PS you are welcome to reply in German. I can read and speak your language but not write it very well.
Für alle, die nur wenig Englisch verstehen, hier ‘mal die deutsche Übersetzung: Ich bin ein Däne, der versucht, das Schicksal der deutschen CW (Chemical Weapons = Chemische Kampfstoffe; D.R.) während des Kriegsendes und in den Jahren 1945 – 1948 aufzuklären. Ich bin interessiert an Informationen über Transporte von Kampfstoffen in der Endphase des Krieges. Ich sehe, Sie haben etwas in Freiburg gefunden. Ich habe andere relevante Informationen im britischen Nationalarchiv in Kew in der Nähe von London gefunden, und ich kann empfehlen, Akten im DEFE 3 zu suchen, wo sich die ULTRA-Entschlüsselungen vom Bletchly Park befinden. Ich habe diejenigen aus den letzten Kriegsmonaten gesucht, und sie führen zu dem Schluss, dass die Vernichtung der CW-Munition verboten wurde! Weiter zeigen sie, dass “Spitzenkampfstoffe” (die neu entwickelten hochtödlichen Nervengifte Tabun, Sarin, Soman; D.R.) erste Priorität hatten. Der Rest sollte, wenn möglich, evakuiert werden, musste er aber zurückgelassen werden, sollte er nicht vernichtet werden. Würden Sie sich für einen Informationsaustauch interessieren?
Hi Jørgen,
many thanks for the comment! Of course I would have big interest in the information from the British National Archive. However, I fear, unfortunately, I cannot serve with much more information. At that time I have looked only to Altenhain. There was not to be found a lot. And I have even some few eye-witness accounts… (Vielen Dank für den Kommentar! Natürlich hätte ich großes Interesse an den Informationen aus dem britischen Nationalarchiv. Ich fürchte aber, ich kann leider nicht mit viel mehr Informationen dienen. Ich habe damals nur zu Altenhain gesucht. Da war nicht viel zu finden. Und ich habe auch nur ein paar wenige Augenzeugenberichte…)
Die Übersetzung ins Deutsche ist nicht ganz korrekt. Der letzte Satz muss lauten: Der Rest sollte, wenn möglich, evakuiert werden, wenn jedoch nicht möglich, zurückgelassen und nicht gesprengt werden.
Franz Aulich
Ich bin im besitz von bilder von die Muna in der Periode 1943 bis 1945, die Mutter meine frau kommt von Trebsen und iere Vater war während des Krieges in der Muna aus Niederlande arbeits beschäftigt.
Wenn Sie Interesse an den Bildern habe höre ich dass von Ihnen.
Grüße:
G van den Heuvel
Niederlande
Herr van den Heuvel,
natürlich habe ich ein sehr großes Interesse an den Fotos!!! Und an der Geschichte dahinter. Es gab einige Arbeiter aus den Niederlanden in Altenhain, sowie in Trebsen (in der Papierfabrik waren Arbeiter und Arbeiterinnen aus der Papierfabrik in Renkum eingesetzt)…
Mit bestem Dank für Ihre Rückmeldung und vielen Grüssen
Dirk Reinhardt
Dat zou geweldig zijn!!!
Hallo nach Altenhain!
Mein Name ist René Richter, ich wohne ca.10km entfernt und ich recherchiere ebenfalls zu einer Muna aus unserer Umgebung. Ich kann Ihnen bestätigen, dass das oben Geschriebene von Jorgen Kamp seine Richtigkeit besitzt. Es war nicht nur Grünring sondern und das ist wichtig Grünring III (siehe auch CWS Report von 1945 ca. 90.000 Granaten). Es handelte sich um den “Spitzenkampfstoff” Tabun oder auch Trilon 38 genannt. Deshalb stand das eher unbekannte Altenhain auf der Liste. Kampfstoffe durften nicht gesprengt werden. Das geht aus dem kompletten Befehl, welchen Sie abgebildet haben (Original liegt im Militärarchiv Freiburg im Breisgau vor) hervor. Spitzenkampfstoffe waren abzufahren, bekannte Kampfstoffe und das ist der Unterschied sollten nur umgekennzeichnet werden. Die Spitzenkampfstoffe sollten nicht in die Hände der Amerikaner und Russen fallen, da sie diesen noch unbekannt waren. Diese Kampfstoffe sollten auf Elbkäne verbracht und Richtung Ostsee oder Nordsee zur Verklappung transportiert werden.
Sollten Sie mal Zeit haben könnten wir uns mal auf ne Tasse Tee und ein gutes Gespräch verabreden.
Hallo Renè,
alles richtig, insoweit es die bisher bekannten Dokumente zu (Spitzen)Kampfstoffen betrifft. Ich kenne diese und auch entsprechende Literatur dazu. Allerdings möchte ich behaupten, daß nicht alles – ohnehin zum betrachteten Zeitpunkt Frühjahr 1945 sehr wenig – überliefert wurde. Oder es, evtl., anderslautende Bestrebungen gegeben haben könnte in den letzten Tagen. Selbst Speer hat Hitlers Nero-Weisungen verschleppt, umgangen, abgelehnt. Die Gründe dazu sind ein anderes Thema…
Altenhain stand auf dieser Liste. Jedoch ist noch immer unbekannt, wann und wohin genau die Spitzenkampfstoffe abgefahren wurden und was damit wirklich passierte. Unklar ist auch die Tatsache, was der Ex-General von Schwedler hier noch tat (Warten auf die Amerikaner?). Belegt, mittlerweile durch mehrere Zeugen, ist allerdings der Fakt, daß die Muna zur Sprengung vorbereitet war – MIT den noch immer hier lagernden Grünring-Kampfstoffen. Also, wenn es hierzu auch nicht kam (selbst der letzte Kommandant lehnte die Sprengung – nach entsprechenden Nachkriegsaussagen – wohl ab), waren die Kabel gezogen und die Zündmaschine angeschlossen. Veranlasst aber durch einen Befehl (von wem?), dem Hitlers diesbezüglicher Befehl entgegenstand. Und das war ja anscheinend nicht nur in Altenhain so.
Das mit der Tasse Tee klingt gut – im neuen Jahr? Insofern guten Rutsch!
Hallo,
mein Name ist Rainer Ulrich und ich interessiere mich für alte Muna`s. Bei uns im Ort L(…) gab es nur eine kleine Muna und ein Depot.
In unserer Muna gibt es nur noch einen erhaltenen Bunker, der vermutlich als Löschwasserzisterne dienen sollte. Eine Einstiegsöffnung mit einem Pumpensumpf und zwei Entlüftungsöffnungen ca. 10cm im Durchmesser. Rohre sind keine vorhanden.
Gibt es denn in der Muna Altenhain auch solche Löschwasserzisternen?
Im Fliegerhorst Brandis gibt es Wasserzisternen als “Bunkerhügel” wo unterhalb der Einstiegsöffnung ein Rohr vorhanden ist.
Könnte ich bitte auch die Bilder von der Muna Altenhain bekommen?