Trebsener Kleinloks
Im Frieden wie im Krieg
Am 30. September 1911 wurde die Eisenbahnteilstrecke von Seelingstädt nach Trebsen mit einem Sonderzug eingeweiht und am folgenden Tag mit regulären Personen- und Güterzügen für die Allgemeinheit eröffnet. Die damit ihre (fast) endgültige Länge erhaltende „Trebsener Schiene“ hat in den seitdem vergangenen 105 Jahren vielfach Geschichte(n) geschrieben. Nachstehend möchte ich erneut eine von diesen hier weitergeben.
Fahnen- und blumengeschmückt präsentiert sich neben dem Sonderzug auch die neuerrichtete Bahnstation Trebsen-Pauschwitz zur Einweihung derselben am 30. September 1911. Doch der kleine gemischte Zug (PmG) wird schon bald nicht mehr reichen… (Ansichtskarte – vergrößerter Ausschnitt: Samlg. Dirk Reinhardt)
“”Zeit ist Geld!“
Am 15. November 1923 beendete die Währungsreform die Inflationszeit in Deutschland. Zuletzt hatte diese nur noch mit schwindelerregenden astronomischen Zahlen jongliert. Doch schon im folgenden Jahr begann eine ebenso rasante wirtschaftliche Konjunktur. Das man die Zeit bis Ende 1929 später romantisch als „Goldene Zwanziger“ verklärte, beruhte insbesondere darauf, dass eine Vielzahl der Unternehmen ihre betrieblichen Ergebnisse wieder steigern konnten. Dies betraf ebenso die Firmen in und um Trebsen – die Papierfabrik Wiede & Söhne, die Steinbruchsbetriebe um Seelingstädt sowie am Trebsener Colm. Sichtbar wurden deren Erfolge vor allem durch die enorm anwachsenden Eisenbahntransporte auf der Strecke Beucha – Trebsen-Pauschwitz.
Nachstehend eine Bilderserie aus „besseren Tagen“: Von 1911 bis Ende der 1980er Jahre bezeugten fast täglich lange Güterzüge von und nach der Papierfabrik Trebsen die große Bedeutung der hiesigen Bahnstation. Während eine Reko-52er mit ihrem Nahgüterzug auf Ausfahrt wartet, fährt eine Diesellok der BR 118 mit einem Kohlenzug in den Endbahnhof an der Mulde ein. (alle Fotos: Horst Liebing)
Der Kohlenzug hat sich in die Papierfabrik “verdrückt”. Nun darf auch 52 8077 ausfahren und der Radler wird sich noch gedulden müssen…
“Gibbe Dampf!” wird wohl der Lokführer gerade noch seinem Heizer zugerufen haben, “mir wolln doch och ma pünktlich dorheeme sin!”
Jedoch bekam die erst vor wenigen Jahren verstaatlichte Deutsche Reichsbahn Gesellschaft (DRG) mit der Abwicklung dieses Verkehrs immer größere Probleme. Betriebsanlagen und Fahrzeuge genügten den Bedürfnissen nicht mehr! Und obwohl die Eisenbahngesellschaft inzwischen ein „verreichlichtes“ staatskapitalistisches Unternehmen war, standen ihr die eingefahrenen Gewinne selbst kaum zur Verfügung. Denn die DRG, als Pfand der alliierten Siegermächte des 1. Weltkrieges, musste davon große Teile zur Abgeltung der dem Deutschen Reich auferlegten Kriegsschulden abführen. Zusätzlich zu den vielen bereits an diese abgegebenen Lokomotiven und Wagen. Die übrig bleibenden Finanzen der arg gebeutelten gesamtdeutschen Staatsbahn reichten nur für nötige Unterhaltungen und einige wenige Neuanschaffungen. Dazu kam noch die beginnende Konkurrenz des aufstrebenden LKW-Verkehrs.
Die Reichsbahngesellschaft suchte deshalb nach Lösungen. Eine hieß: „Zeit ist Geld!“ Zunächst beauflagte man die Güterkunden. Neben der Abkehr von ehemals gewährten „Sonderdienstleistungen“ wurden gleichzeitig die zugestandenen Be- und Entladezeiten deutlich gekürzt. Sehr nachteilig für die Kunden wirkte sich aus, dass dadurch deren Ladestellen nicht mehr so oft angefahren wurden und sie sich den Fahrtzeiten völlig unterordnen mussten. Teilweise setzte man auch auf neue und schnellere Umschlagtechnologien. Zumeist mussten die Kunden diese Änderungen aber zu ihren Lasten vornehmen lassen. Zweck des Ganzen war eine Beschleunigung der Güterzugumläufe insgesamt.
Hintergrund dessen war, dass es damals, besonders an Nebenstrecken, sehr viele Versand- und Empfangsstellen (Güterschuppen, Freiladerampen, Anschlussgleise) gab, die sowohl Stückgut als auch größere Wagenladungen abfertigten. Mit Stand vom Oktober 1931 waren täglich etwa 170.000 Waggons an etwa 8000 Unterwegsbahnhöfen und Streckenanschlüssen in Deutschland zu bewegen. Hierzu kamen Nahgüterzüge (Ng) zum Einsatz, die täglich alle Unterwegsbahnhöfe der jeweiligen Strecke bedienten. Und deren Zuglokomotiven mussten gleichzeitig die dort anstehenden Rangieraufgaben erfüllen: Die für den betreffenden Bahnhof bestimmten Waggons aus dem Zug herauslösen, den jeweiligen Ladestellen zustellen sowie von dort die versandfertigen Wagen abholen und in den Zug einreihen. Diese Prozedur verlängerte die Aufenthaltszeiten an den Stationen durchschnittlich auf je etwa 25 Minuten, womit sich die Reisegeschwindigkeit der Ng-Züge auf ca. 10 Km/h verringerte.
All dies kostete nicht nur eine Unmenge an Zeit, Energie und Personalaufwand, sondern führte manchmal zu teilweise angespannten Sicherheitsproblemen. Beispielsweise musste zur Bedienung der drei Ladestellen am Trebsener Colm der Wagenzug auf der freien und im Gefälle liegenden Strecke abgestellt werden. Bei Fehlern des Bahnpersonals konnte es dann schon mal zum ungewollten Abgang von Waggons kommen…
Eine beiden Seiten gerecht werdende Lösung des Problems lag in der Stationierung einer besonderen Rangierlok an den Güterladestellen. Diese – oft kleinere, ältere und leistungsschwächere Dampflokomotiven – wurden damals aber nur an Bahnhöfen mit ständig hohem Arbeitsaufkommen vorgehalten. Manchmal teilten sich benachbarte Stationen auch eine sogenannte „Wanderlok“ für diese Zwecke.
Selbst Johannes Wiede, der technisch innovative und wirtschaftlich denkende Eigentümer der Trebsener Papierfabrik, beschäftigte sich intensiv mit diesem Thema. Da er, bei der Menge der täglich in seiner Fabrik eingehenden Rohstoffe und abgehenden Papierlieferungen, zum Bahntransport keine vernünftige Alternative hatte, forderte er bei der Reichsbahn schon länger die Gestellung einer Rangierlok am Bahnhof Trebsen-Pauschwitz. Wiede mobilisierte auch die Steinbruchsunternehmen am Colm sowie im benachbarten Seelingstädt. Im Verbund wollte man sich sogar die anfallenden Betriebskosten teilen. Doch einige Jahre lang blieb alles beim Alten. Die dem Lokbahnhof Trebsen unterstellten Streckenlokomotiven verrichteten weiterhin neben den zu bespannenden Regelzügen die hier anstehenden Rangiergeschäfte.
Zwar bespannten die sächsischen IV T-Tenderloks hauptsächlich Personenzüge, mussten aber auch Rangierdienste übernehmen. Neben dem Trebsener Lokschuppen rangiert in den 1930er Jahren 71 325 gerade einige Rungenwagen für die Papierfabrik. (Foto: Sammlung Frank Patzsch)
Eine Kleinlok für Trebsen
War es zunächst die schlechte Ausstattungs- und Finanzlage der DRG, die nur notwendige Neubeschaffungen im ausgelasteten Fahrzeugpark ermöglichte, kam dann noch hinzu, dass die Reichsbahn relativ spät die Vorteile alternativer Antriebe erkannte. Erst gegen Ende der 1920er Jahre begann man intensiv mit der Entwicklung modernerer Lok-Baureihen mit Verbrennungsmotoren. Denn künftig sollten solche Lokomotiven das Rangiergeschäft übernehmen und damit wirtschaftlicher machen. Als Antrieb wollte man Benzol- und Benzinvergaser, Zwei- oder Viertakt-Diesel- sowie Elektromotoren verwenden, wobei die Kraftübertragung über Zahnrad- oder Flüssigkeitsgetriebe, Ketten oder Stangen erfolgte. Nach den Motorleistungen kam es zur Herausbildung zweier Leistungsgruppen – der LG I (20 – 40 PS) und der LG II (40 – 70 PS). Allerdings ließ man schon damals der Weiterentwicklung der Motorentechnik großen Spielraum. Das beeinflusste natürlich die erzielten Leistungen und ermöglichte später auch bis zu 110 PS starke Maschinen.
Weitere Anforderungen stellte man insbesondere an eine einfache Handhabung, was zu den grundlegenden Eigenarten des neuen Loktyps führte: Ein überdachtes, niedrig liegendes und seitlich offenes Führerhaus sowie an den Längsseiten angebrachte Trittbretter. Dies sollte Lokführern und mitfahrenden Rangierern die Bedienung von beiden Seiten, ein leichtes und zügiges Besteigen/Verlassen der Lok sowie das eigenständige Weichenstellen ermöglichen. Ebenso typisch waren die Zughaken- und Rangierkupplung, durch die das selbsttätige Wagenkoppeln aus dem Führerhaus möglich war. Alle diese Neuerungen waren auf eine Einmannbedienung ausgelegt und erlaubten zudem, dass die Lok aushilfsweise ebenso von angelernten Rangierern, Ladeschaffnern und Güterbodenarbeitern geführt werden konnte. Allein davon versprach man sich eine sehr deutliche Einsparung der Personalkosten.
Obwohl man nach guten Erfahrungen mit Prototypen und Versuchsmaschinen mit großem Eifer und unter Einbeziehung aller Lokomotivhersteller an die Entwicklung einer vereinheitlichten Bauart ging, behinderten die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise und die anhaltend schlechte Finanzlage der DRG ein schnelles Umsetzen des „Kleinlok-Programms“. Erst 1933 konnte die Reichsbahn mit der großangelegten Beschaffung von Einheits-Kleinlokomotiven, die damals etwa 22.800,- RM kosteten, beginnen.
Natürlich machten die Lokomotivbaufirmen, allen voran die Firma Henschel & Sohn aus Kassel, Werbung für die neu entwickelten Lokomotiven – schließlich benötigte ja auch die Privatwirtschaft solche kleinen Rangierlokomotiven für ihre Werkbahnen. (Repro aus: „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“, Heft 18 von 1933)
Mit einer Länge über Puffer von 6450 mm, einer größten Breite von 3140 mm und einer größten Höhe von 2770 mm erreichten die Rangierlokomotiven dennoch ein Dienstgewicht von 15 – 18 t. Ähnlich ihren großen dampfenden Schwestern wurden die kleinen Loks mit Nummern versehen. Allerdings bekamen diese zusätzliche Stammbuchstaben, beispielsweise „Kö“, „Kb“ oder „Köf“, vorangestellt. Das „K“ stand dabei für Kleinlok, während der folgende Indexbuchstabe die jeweilige Antriebsart bezeichnete („b“ für Benzol- oder Vergasermotor; „ö“ für Öl/Dieselmotor; „f“ für Flüssigkeitsgetriebe).
Mit insgesamt 104 bis 1942 beschafften Loks belegte die Reichsbahndirektion (RBD) Halle/Saale den 2. Platz aller Kleinlokbeheimatungen in Deutschland, was gleichzeitig die immense Bedeutung des mitteldeutschen Industriegebietes bezeugt. Und endlich bekam nun auch der Bahnhof Trebsen-Pauschwitz eine Kleinlok! Ende 1934, vom 22. November bis 11. Dezember, ist erstmals der Einsatz der „Kö 4528“ nachgewiesen. Diese stammte aus einer von der Firma Henschel & Sohn gebauten Serie von 70 Maschinen. Mit der Werknummer 22325 am 16. Oktober an das Bahnbetriebswerk (Bw) Engelsdorf geliefert, war die Lok zuerst aber an der Bahnstation Golzern eingesetzt.
In und bei Trebsen hatte die Rangierlok fünf Ladestellen (u.a. Steinbrüche am Colm) und den Anschluss der Papierfabrik zu bedienen. In der vorgesehenen Arbeitszeit von 7 Stunden und 20 Minuten waren täglich etwa 60 Wagen zu behandeln. Diese Arbeit übernahm ab 1935 die Schwesterlok „Kö 4542“ (Henschel-Werknr. 22339). Nachdem die Lok dem Bw Engelsdorf am 30. Januar zugeteilt wurde und am 8. Februar den Lokschuppen in Pauschwitz erreichte, startete sie, nach gründlicher Einweisung von drei Lokführern, am 11. Februar zum ersten Betriebseinsatz.
„4528“ kehrte nach dem kurzen Trebsener Intermezzo anscheinend nach Golzern zurück, kam später jedoch erneut nach Trebsen. Warum und wann genau dieser Wechsel stattfand, konnte bisher nicht geklärt werden. Auch nicht, wo „4542“ anschließend eingesetzt war. Vielleicht in Golzern, Brandis oder…? Allerdings verblieb „4528“ nun für die nächsten Jahre in Trebsen. Dies beweisen Fotos, die die Lok mit der Beheimatungsanschrift „Bf Trebsen-Mulde“ zeigen. Pauschwitz war am 1. April 1938 nach Trebsen eingemeindet worden, wodurch sich der Name des Bahnhofs am 15. Mai auf Trebsen/Mulde änderte. Demnach wurde das nachstehend abgebildete Foto irgendwann danach in Trebsen aufgenommen.
Die Henschel-Kö „4528“ zwischen 1938 und 1942 beheimatet am Bahnhof Trebsen-Mulde. Ganz links – Kleinlokführer Willy Hofmann. Leider konnten die übrigen Eisenbahner namentlich bisher nicht zugeordnet werden. (Foto: Sammlung Frank Patzsch)
Auch der ehemals Nerchau-Trebsen benannte Bahnhof in Neichen/Zöhda erhielt im November 1934 eine gleichartige Diesellok – „Kö 4529“. Jene ersetzte hier eine Dampflok, die an fünf Ladestellen und einem Anschluss in Neichen und Nerchau täglich etwa 35 Waggons beförderte und dabei zwischen beiden Bahnhöfen insgesamt 10 km hin und her „wanderte“. Benötigte die zuvor eingesetzte dampfbetriebene „Wanderlok“ dafür jedoch etwa drei Stunden, schaffte die Kleinlok dasselbe Pensum in nur 1 Stunde und 40 Minuten.
In den nachfolgenden Jahren dienten die genannten Kleinloks ihrem Arbeitgeber mit den erhofften Ergebnissen und wickelten den Güterverkehr in unserer Region ohne Probleme sowie sehr zuverlässig ab. Doch sollte ihnen bald noch „viel Größeres“ bevorstehen.
„Räder müssen rollen für den Sieg!“
Die hier vorgestellten Kleinlokomotiven sollten allerdings nicht nur friedlichen Zwecken dienen. Da die Eisenbahn, solange es sie gab, auch schon vom Militär in dessen Planungen einbezogen wurde, war dies auch im „Großdeutschen Reich“ nicht anders. Im September 1939 begann jenes mit seiner kriegerischen Ausdehnung über Europa.
Noch am Heimatbahnhof Trebsen-Mulde machte „Kö 4528“ nach 1939 schon Bekanntschaft mit dem Militär, auch wenn es sich dabei „nur“ um die Wachsoldaten eines vermutlich französischen Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos handelte. (Foto: Sammlung Frank Patzsch)
Mit zunehmender Dauer des Krieges und seinen in immer weitere Entfernung rückenden Fronten, insbesondere mit dem schnellen „Raumgewinn“ auf dem östlichen Kriegsschauplatz, in der Sowjetunion, war man mehr denn je auf die Deutsche Reichsbahn angewiesen. Dazu kam, dass den Wehrmachtstruppen gerade im Osten bisher unbekannte Wetterbedingungen entgegen schlugen. Hatten im Dezember 1941 teilweise schon -35 °C geherrscht, kühlte es sich im Januar 1942 gar auf -42 °C ab. Unter dieser Kälte litten nicht nur die Räderfahrzeuge, auch die Lokomotiven waren den extremen Temperaturen anfangs nicht gewachsen. Deren teilweise außen liegenden Baugruppen waren zu fein, nicht robust und unzureichend vor Frost geschützt. So war manche Lok schon beim Eintreffen am ehemaligen Grenzbahnhof Brest nicht mehr einsatzfähig. Durch die dann mit dem Tauwetter im April einsetzende Schlammperiode, die den gesamten Straßenverkehr fast zum Erliegen brachte, stieg natürlich die Bedeutung der Bahntransporte für die Wehrmacht immens an. Jetzt konnte das schienengebundene Verkehrsmittel seine überlegenen Vorteile ausspielen. Denn nur die Eisenbahn war in der Lage, den ununterbrochenen und riesigen Nachschub an Truppen, Waffen, Munition, Treibstoff und Verpflegung für die deutschen Armeeverbände in der benötigten Menge zu gewährleisten. Zudem stiegen die zu erbringenden Leistungen noch an als ab 1942 die Abfuhr der Kriegsbeute (Rohstoffe, Wirtschaftsgüter sowie Kriegsgefangene und „Arbeitssklaven“) hinzukam. Allerdings gerieten nun viele Eisenbahnstrecken oder Rangierknoten an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Auf einigen Strecken rollten damals durchschnittlich bis zu 70 Züge, je Richtung und pro Tag!
Zur Abwicklung aller Transporte standen zwar allein der „Ostfront“ über 6700 Lokomotiven zur Verfügung, die hauptsächlich an den Knoten- und Depotbahnhöfen das Rangiergeschäft übernahmen. Mit der Ausweitung des Schienennetzes nach Osten, von 15.000 km im Januar 1942 auf 42.000 km bis Ende des Jahres, und den vom Wetter sowie Partisanenangriffen bedingten Verlusten, mussten die Heimatdienststellen der Reichsbahn jedoch zusätzliche 300 Kleinloks an die Wehrmacht sowie an die der Generalverkehrsdirektion (GVD) Osten unterstellten Haupteisenbahndirektionen (HBD) in der besetzten Sowjetunion abgeben.
Getreu dem Slogan „Räder müssen rollen für den Sieg!“ erhielten jetzt auch die hiesigen Kleinlokomotiven einen Einberufungsbescheid zum Dienst an der „Ostfront“ bei der HBD Mitte in Minsk, die am 1. Dezember 1942 in Reichsverkehrsdirektion Mitte umbenannt wurde: Nach dem Telegramm „EMB Nr 773, 5/3“ des Chefs Transportwesen vom 4. März 1942 waren die „Dieselkleinlok… mit größter Beschleunigung… und mit ausreichendem Frostschutz… abzusenden: … Für Heeresgruppe Mitte… 1 Lok an Zielbf Gomel,… 2 Lok an Zielbf Wjasma“. Am 13. März wurde die Trebsener „Kö 4528“ zum Bahnhof Gomel abgefahren. Gomel liegt ca. 1250 km entfernt im südöstlichen Weißrussland, an der Strecke Brest-Litowsk – Minsk – Charkow. Gleichzeitig wurde einer ihrer Lokführer, Willy Hofmann, dorthin versetzt. Am gleichen Tag verließen auch „Kö 4542“ und „Kö 4529“ die Heimat und wurden Tage später am etwa 1500 km entfernten Bahnhof Wjasma an der Strecke Brest-Litowsk – Minsk – Moskau ausgeladen. Nur 250 km vor der russischen Hauptstadt.
Die Parole „Räder müssen rollen für den Sieg!“ trieb auch zwei Trebsener in den Osten: „Kö 4528“ (mit „DR-Ost“-Beschriftung für die zuständige GVD Osten) 1942 im weißrussischen Gomel. Rechts Kleinlokführer Willy Hofmann. (Foto: Sammlung Frank Patzsch)
Kaum ein Dreivierteljahr später, in der sowjetischen Winteroffensive vom November 1942 bis März 1943, verlor die deutsche Wehrmacht Ende Januar 1943 die Schlacht um Stalingrad. Während des „Unternehmens Büffelbewegung“, des ersten von Hitler erlaubten Rückzuges deutscher Truppen der Heeresgruppe Mitte, ging am 12. März Wjasma verloren. Und nach erbitterten Kämpfen am 26. November die Stadt Gomel. Im inzwischen zunehmend schneller und teilweise chaotisch werdenden Rückzug verwandelte sich auch der an den Führerhäusern der Reichsbahn-Lokomotiven prangende Adler mit Hakenkreuz zum „Pleitegeier“. Im Mai 1945 war der Krieg dann endgültig verloren.
Die zunächst als „Kriegsverlust“ geltende „Kö 4542“ tauchte am 3. Juli 1945 bei der tschechischen Staatsbahn in Olomouc auf, bevor sie im Oktober als Kriegsbeute der UdSSR nach Trnava kam und von dort erneut unbekannterweise verschwand. Die ehemalige „Kö 4529“ aus Neichen kehrte dagegen unversehrt nach Deutschland und sogar in die Reichsbahndirektion (Rbd) Halle zurück. Nach langjährigem friedlichem Dienst bei der Deutschen Reichsbahn (DR) wurde sie am 19. Oktober 1993 von der nunmehrigen Deutschen Bundesbahn (DB) im Bahnbetriebswerk (Bw) Leipzig-Wahren ausgemustert und verschrottet. Die dritte Kleinlok, die Trebsener „Kö 5428“, hatte es bis Kriegsende ebenfalls zurück in die heimatliche Rbd Halle geschafft. Sie wurde am 28. Februar 1946 im Bw Halle als „schadhaft“ registriert. Jedoch kam auch sie nicht wieder an ihre alte Wirkungsstätte zurück, sondern wurde, von der DR später als „100 528“ nummeriert, u.a. in Dessau und Berlin eingesetzt. Als „310 528“ fuhr sie dann auch bis zum 20. Dezember 1995 für die DB. Letztendlich gelangte die Maschine zur privaten Triebfahrzeugsammlung „DMF Falz“ in Falkenberg/Elster.
Mit mehr als 3000 gebauten Exemplaren war die Kleinlokomotive eine der meistgebauten deutschen Lokomotiven. Leider ist heute das Rasseln der Antriebsketten – ihr typisches Fahrgeräusch – von Bahnstrecken und Anschlussgleisen (fast) verschwunden.